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Von Spacelab bis Gateway: 40 Jahre Module für Menschen im All

28/11/2023 407 views 7 likes
ESA / Space in Member States / Germany

Die erste astronautische Raumfahrtmission der ESA ist heute vor 40 Jahren gestartet. In Begleitung des ersten ESA-Astronauten Ulf Merbold nahm das Spacelab-Modul seinen Flug im Frachtraum des Space Shuttle auf und verwandelte den „Space Truck“ der NASA in eine Mini-Raumstation für wissenschaftliche Forschung. Europa ist auch heute noch sehr aktiv im Bereich der astronautischen Module.

Das ESA Spacelab-Modul bei der Integration in das Space Shuttle
Das ESA Spacelab-Modul bei der Integration in das Space Shuttle

Nach Spacelab kam das ESA Columbus-Labor als eines der vielen anderen Module der Internationalen Raumstation – Node 2, Node 3 und Cupola, aus der man die Erde betrachten kann – die ATV- und Cygnus-Raumtransporter, das Europäische Service-Modul (ESM) des Orion Lunar Orbiter, Module für die private Axiom-Raumstation und nun entscheidende Elemente der Gateway-Station, die den Mond umkreisen soll.

Das industrielle Vermächtnis von Spacelab ist eindeutig. Die beteiligten Unternehmen haben seit den 1970er Jahren mehrfach ihren Namen geändert, Druckbehälter werden aber nach wie vor aus der Aluminium-Kupfer-Legierung 2219 in Turin, Italien, gefertigt – in den heute von Thales Alenia Space betriebenen Räumlichkeiten.

Aeritalia Spacelab Poster
Aeritalia Spacelab Poster

Oftmals werden sie vor Ort in Turin integriert, wie bei den Gateway-Modulen der ESA. Für andere Produktlinien, wie die des Orion ESM, werden sie in den Integrationshallen in Bremen mit der notwendigen Ausrüstung versehen, um sie weltraumtauglich zu machen, wie es vor mehr als vier Jahrzehnten für Spacelab geschah. Heute sind diese Hallen Teil einer Einrichtung von Airbus Defence and Space.

Das Vakuum in Schach halten

Druckbehälter sind ein grundlegendes Element des Moduldesigns und dienen dazu, das externe Vakuum in Schach zu halten. Sie bestehen aus wenigen Millimetern dicken, zylinderförmigen Blechen, die durch konische Endstücke begrenzt sind. Das Spacelab hatte eine Länge von 6,7 m und einen Durchmesser von 4,1 m, wobei letzteres durch die Abmessungen der Shuttle-Ladebucht bestimmt wurde, in der es untergebracht war. Columbus und die anderen in Europa hergestellten ISS-Module haben aus demselben Grund nur einen geringfügig größeren Durchmesser.

Zum Vergleich: Das Internationale Habitat-Modul der ESA für das Gateway I-Hab ist etwa 8 m lang, hat aber nur einen Durchmesser von 3 m – dieselbe Breite wie die in Turin gefertigte Druckhülle für den ISS-Versorgungsraumschiff Cygnus. Das andere Gateway-Modul der ESA, das ESPRIT-Betankungsmodul, ist 6,4 m lang und hat einen Durchmesser von 4,6 m, obwohl ein Großteil seines Volumens mit Treibstofftanks und einem fenstermontierten Drucktunnel, den Astronautinnen und Astronauten durchqueren können, ausgestattet ist und es die gleiche Länge und den gleichen Durchmesser wie I-Hab hat.

Cygnus Frachtschiff
Cygnus Frachtschiff

„Gateway-Elemente mögen zwar kleiner sein als frühere europäische Module, sollten aber auch stärker sein“, erklärt Joao Gandra, ESA-Ingenieur für Werkstoffe und Verfahren. „Der große Unterschied besteht darin, dass sie – wie bei Europas neuesten Axiom- und Cygnus-Druckbehälter – nun mit dem sogenannten Rührreibschweißverfahren verschweißt werden, bei dem Metalle nicht geschmolzen, sondern durch Reibung erweicht werden, um sie miteinander zu verbinden. Während beim herkömmlichen Schweißen Spannungen in die Verbindungen gebracht werden können, führt diese Technik zu stärkeren Schweißnähten mit verbesserter Leistung.”

„Heute werden alle unsere Module auf diese Weise hergestellt“, ergänzt Walter Cugno, VP für Exploration und Wissenschaft bei Thales Alenia Space, der als Produktsicherungsingenieur am Spacelab gearbeitet hat. „Unsere Fähigkeit, Druckelemente zu liefern – die anfänglich durch ESA-Projekte aufgebaut wurden, zusammen mit bilateralen Abkommen zwischen der italienischen Raumfahrtagentur ASI und der NASA zur Herstellung von ISS-Modulen – ist ein Schlüsselfaktor für alle astronautischen Explorationsinitiativen, in der erdnahen Umlaufbahn, auf dem Mond und schließlich auf dem Mars.“

Das I-Hab wird bis zu 30 Tage lang als Wohnraum an Bord des mehrmoduligen Gateway für vierköpfige Besatzungen dienen.

I-Hab am Gateway
I-Hab am Gateway

Mark Wagner, Leiter des ESA-Teams “Lunar Gateway Baseline, Verification and Assembly, Integration and Testing”, hilft sicherzustellen, dass das Modul für den Einsatz bereit ist und für den derzeit für 2028 geplanten Start bereit ist.

Zusammenarbeit mit den Gateway-Partnern

Wagner erklärt: „Dies ist nur ein Modul in einer Station mit mehreren Modulen, daher müssen wir überprüfen, ob I-Hab mit allen Schnittstellen kompatibel ist, die mit unseren Partnern wie der NASA, der Kanadischen Raumfahrtagentur und der Japanischen Raumfahrtagentur (JAXA) vereinbart wurden. Hinzu kommt, dass unsere Entwicklungspläne nicht parallel laufen: Das HALO-Modul der NASA – dessen Druckbehälter ebenfalls aus Turin stammt– und das Energie- und Antriebs-Element sollen als erstes zusammen fliegen. Wir müssen sicherstellen, dass alle Schnittstellen und Funktionen zwischen den Modulen mit dem Rest des internationalen Gateway-Programms kompatibel sind.

Das von der JAXA an uns gelieferte Umweltkontroll- und Lebenserhaltungssystem von I-Hab muss beispielsweise mit dem entsprechenden System im HALO-Modul zusammenarbeiten. Das Wärmeregelungssystem des I-Hab-Moduls ist über Wärmetauscher mit den anderen Modulen und andockenden Raumschiffen verbunden, die den gesamten Gateway-Außenposten bedienen, um Wärmelasten über externe Pumpstrahler in den Weltraum abzuführen. Diese und andere kombinierte Systeme müssen einwandfrei zusammenarbeiten.“

Gateway-Grundriss
Gateway-Grundriss

Enge Räume

Die relativ geringe Größe von I-Hab wurde durch die Beschränkung der Startmasse festgelegt. Die Entwicklungsteams des Moduls mussten sich der Herausforderung stellen, alle notwendigen Systeme in einem bewohnbaren Raum von nur 10 Kubikmeter unterzubringen, darunter wissenschaftliche Ausrüstung, Kochmöglichkeiten inklusive eines ausziehbaren Küchentischs, Vorräte, Lebenserhaltungsysteme und sogar ein Quartett privater Schlafkabinen.

 „Frühere ISS-Module – wie auch das Spacelab – wurden mit einer Auf- und Abwärtsausrichtung konstruiert, weil dies für die Crew leichter zu handhaben ist. Mit I-Hab haben wir diesen Luxus nicht, denn wir müssen den gesamten verfügbaren Raum so effizient wie möglich nutzen und gleichzeitig alle Anforderungen bezüglich des menschlichen Faktors und der Leistungsfähigkeit der Besatzung gerecht werden.”

Gateway Virtual Reality Session
Gateway Virtual Reality Session

Vorerst wird es jedoch keine Toilette geben; die Besatzung wird dafür zur Orion zurückkehren müssen. Außerdem müssen die ersten Expeditionen ihre eigenen Verbrauchsmaterialien mitbringen, was einer der Gründe dafür ist, dass die Missionen auf jeweils 30 Tage begrenzt sind. Zudem ist die Strahlung im Weltraum sehr hoch. Die meiste Zeit des Jahres wird Gateway also ohne Crew sein und entsprechend überwacht werden müssen.

Astronaut*innentests

Um zu prüfen, ob I-Hab ein geeigneter Ort zum Leben und Arbeiten ist, hat sich das Modulentwicklungsteam an erfahrene ESA-Astronaut*innen wie Samantha Cristoforetti, Alexander Gerst und Luca Parmitano gewandt, um erste Designbewertungen vorzunehmen. Es wird auch Testkampagnen mit Proband*innen geben, die auf einem repräsentativen Mock-up von I-Hab basieren, das bei Thales Alenia in Turin installiert ist, sowie die Nutzung von VR–Anwendungen und in Zukunft auch eine Kombination mit Augmented-Reality.

Gateway mit dem ESPRIT Modul rechts
Gateway mit dem ESPRIT Modul rechts

„Wir wollen wirklich auf die Erfahrungen zurückgreifen, die sie bei ihrer Arbeit an Bord der ISS gemacht haben“, ergänzt Wagner. „Sie helfen unserem Entwicklungsteam dabei, alle möglichen Variablen zu überprüfen, wie die Qualität der Beleuchtung, die Lesbarkeit der Beschriftungen, die Anordung der Notausgänge, sogar die Abteile für die Besatzung – wie gut sie für Privatsphäre und Schlaf geeignet sind.“

I-Hab soll die gleiche Arbeitsumgebung bieten, wie sie für das Spacelab und die ISS-Module entwickelt wurde, mit einer Temperatur von 22 °C und 50 % Luftfeuchtigkeit, wobei der atmosphärische Druck 0,7 Atmosphären betragen wird, verglichen mit dem Druck auf Meereshöhe, der auf der Station herrscht, um die Masse zu verringern.

Das Gateway I-Hab Modul beim Bau in Turin
Das Gateway I-Hab Modul beim Bau in Turin

Wagner fügt hinzu: „Obwohl I-Hab kleiner ist, wird es in dem Sinne inklusiver sein, indem wir es für 99 % der Astronaut*innen konzipieren, was bedeutet, dass fast alle in der Lage sein werden, die Ausrüstung einfach und bequem zu bedienen – wie z. B. das Öffnen von Luken oder das schnelle Trennen von Flüssigkeitsleitungen – im Vergleich zu einer entsprechenden Zahl von 95 Prozent auf der ISS.“

Die Entwicklung von I-Hab hat die vorläufige Entwurfsprüfung (Preliminary Design Review; PDR) durchlaufen und befindet sich derzeit in der detaillierten Entwurfsphase. Für das zweite von der ESA bereitgestellte Gateway-Modul, das ESPRIT-Betankungsmodul (ESPRIT Refueling Module; ERM) – wird derzeit die vertragliche Vereinbarung abgeschlossen, während das PDR in Kürze ansteht.

Dieses jüngste Beispiel für die Entwicklung europäischer astronautischer Module ist für eine Dauer von 15 Jahren ausgelegt, obwohl es nach dem Vorbild der ISS wahrscheinlich noch viel länger in Betrieb sein wird.

Die Gateway-Module nehmen Form an
Die Gateway-Module nehmen Form an

Basierend auf der derzeitigen Architektur des Lunar Gateway Außenpostens wird mehr als die Hälfte dieser inspirierenden Raumstation europäischen Ursprungs sein.

Und Europas von Spacelab inspirierte Modulvorlage wird wahrscheinlich noch weiter in den Weltraum vordringen: Kürzlich wurde ein Vertrag zwischen ASI und Thales Alenia Space über die Entwicklung von Modulen für die Mondoberfläche unterzeichnet, die als Teil einer künftigen Mondbasis dienen sollen.

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